Ornithologische Beobachtungen im Mai 2016
Es ist wieder soweit: Viele Jungvögel verlassen ihr Nest noch bevor sie richtig fliegen können. Aber auch ausserhalb des Nestes werden sie weiterhin von ihren Eltern gefüttert und umsorgt. Die Schweizerische Vogelwarte empfiehlt, Jungvögel grundsätzlich an ihrem Fundort zu lassen. Einschreiten soll man nur, wenn sich ein Vogel in unmittelbarer Gefahr befindet. Sitzt z.B. eine junge Amsel auf der Strasse, so kann man sie – auch mit blossen Händen – aufheben und ins nächste Gebüsch tragen. Danach werden die Altvögel sie weiter füttern.
5.5. An diesem schönen Frühlingstag ruft der Kuckuck den ganzen Morgen. Die Mauersegler, die schon letztes Jahr hier gebrütet haben, sind in dieselben Schlupflöcher unter den Ziegeln eingeflogen. Am Oberstufenschulhaus haben sie ihren Nistkasten bezogen. Einfliegen heisst bei ihnen: Hier brüte ich.
Zwei Feldlerchen versuchen ihr Brutglück zwischen Sevelen und Buchs. Der Singflug des Männchens dauert meist 2-5 Minuten, manchmal kann der Vogel bis zu 20 Minuten ununterbrochen singen. Am Anfang steigt das Männchen stumm auf und beginnt mit den Strophen erst auf halber Höhe. Dabei fliegt es immer kleiner werdende Spiralen empor und bleibt schliesslich in rund 100 Meter Höhe mit flachen Flügelschlägen „stehen“. Danach verliert er langsam an Höhe, lässt sich dann aber wie ein Stein fallen, rüttelt kurz über dem Boden noch einmal und landet. Der Gesang besteht aus abwechslungsreich zwitschernden, trillernden und wirbelnden Strophen mit vielen Imitationen anderer Vogelstimmen. Sind es die letzten Brutversuche hier?
18.5. Zitronengelb leuchtet ein sonnenbeschienener Fleck im Blumenkohlfeld. Eine Schafstelze sucht nach Insekten. Die Merkmale des Männchens sind der olivfarbige Rücken und das Gelb vorne bis zum Schnabel. Die ähnliche Bergstelze hat einen grauen Rücken und ist schwarz an der Kehle. Das Weibchen der Schafstelze hat eine blassgelbe Unterseite, Kopf und Rücken sind bräunlich. Auffällig ist nur der lange, helle Überaugenstreif. Wäre es nicht auf einen herausragenden Halm gesessen, wäre es nicht entdeckt worden. Kurz darauf hüpft es ins Weizenfeld hinunter und bleibt verschwunden.
Schafstelzen brüten am Boden, versteckt in der Vegetation. Ihre Brutgebiete sind kurzrasige Wiesen und Moore. Weil solche Flächen wiederum fehlen, versuchen die Schafstelzen jetzt auf Äcker zu brüten. Ob Junge aufkommen, ist jeweils ungewiss. Immerhin sind die Altvögel seit einigen Jahren in das Gebiet zwischen Sevelen und Buchs zurückgekehrt. Im Werdenberg sind in den vorherigen Brutvogelatlanten keine Bruten vermerkt, im Gegensatz zu Liechtenstein. Im neuen Atlas werden sie eingetragen. Um als Brutvogel zu gelten, kommt es darauf an, wo, wann und wie lange die Art anwesend ist.
28.5. Das Neuntöter Paar an der Räfiserhalde lässt sich durch die Bauarbeiten nicht stören. Es ist der 5. Sommer, dass dort Neuntöter brüten. (Vielleicht wurden sie vorher nicht entdeckt). Dreimal haben sie in demselben Dickicht gebrütet. Dieses bleibt ihnen auch erhalten.
Die sonnige Halde ist zur Zeit ideal in Bezug auf Nahrung. Blühende und kurzrasige und gemähte Grundstücke wechseln ab. Neuntöter jagen in der Luft und am Boden nach Grossinsekten wie Grillen, Heuschrecken, Käfern, Hummeln und Schmetterlingen. Besonders reich sind Blumenwiesen, die zum Glück wieder häufiger zu sehen sind.
Den Überfluss wissen die Neuntöter zu nutzen. Sie spiessen Insekten an Dornen auf als Vorrat für kalte Morgen oder Regentage. Die Jungvögel müssen diese Vorsorge mühsam lernen. Kurz nach dem Ausfliegen beginnt die Lehrzeit. Es dauert etwa drei Wochen bis sie die Beute kunstgerecht aufspiessen können. In dieser Zeit, für Singvögel sehr lange, werden sie von den Eltern gefüttert und begleitet. Vom eigenen Fang könnten sie nicht überleben.
Das Aufspiessen hat ihnen wahrscheinlich den Namen Neuntöter eingebracht. Der Familienname Würger ist auch nicht schöner. In der Schweiz kommt im Winter der Raubwürger als seltener Gast vor. Der Rotkopfwürger ist in der Schweiz leider ausgestorben. In Süd- und Osteuropa gibt es einige Würger Arten.
Zwei weitere Neuntöter Paare haben sich je einen geeigneten Nistplatz ausgesucht. Ein Aufwärtstrend wäre erfreulich. Es ist durchaus möglich, dass ehemalige Jungvögel dabei sind. Neuntöter kehren öfters an ihren Stammplatz zurück.